Samstag, 13. Juni 2009

Rudolf Steiner über Novalis und die Romantiker

Aus: Rudolf Steiner:

Biographien und Biographische Skizzen“ GA 33


"...Die Vertiefung des Seelenlebens, deren die Romantik fähig war, trat zutage durch die eigentlichen Dichter des deutschen Gemütes: Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis, und Josef von Eichendorff. Aus wunderbar zarten und tiefen Empfindungen heraus schrieb Novalis seine "Hymnen an die Nacht" (1797). Die tiefen Schmerzen, die ihm der Tod seiner Braut verursacht hatte, und die Sehnsucht nach dem eigenen Ende strömte er in diesen, von höchstem Schwunge der Phantasie eingegebenen Liedern aus. In seinem zur Zeit der Kreuzzüge spielenden Roman "Heinrich von Ofterdingen" gewannen die Empfindungen der romantischen Geistesart ihren bezeichnendsten Ausdruck.


Leben in Gebärden einer reinen Phantasiewelt hat die Romantiker oft zu den tollsten Sprüngen in der Darstellung der Menschen und Begebenheiten verleitet. Sie schufen zuweilen wahre Zerrbilder alles Natürlichen. Was die Personen, die sie darstellen, im Laufe eines Zeitraumes vollbringen, hängt nicht zusammen wie bei wirklichen Menschen, sondern wie bei den Gestalten, die uns im Traume erscheinen. Wenn in "Heinrich von Ofterdingen" die beiden Mädchen, die der Held liebt, Mathilde und Cyane, im Laufe der Begebenheiten zu einem einzigen Wesen verschmelzen, so ist das ein Beispiel dafür, wie die Romantiker Gestalten schufen, die Traumbildern gleichen. Aber bei Novalis war das alles in Poesie getaucht; die romantische Gesinnung sprach hier aus einem wahren Dichter. ...“


NOVALIS

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