Montag, 13. Juli 2009

Der Hinabstieg von Fabel zu den alten Schicksalswesen

Wenn der Mensch auf die Vergangenheit blickt, dann sieht er, wie die Schicksalskräfte wirken. Er blickt in die Natur und erfährt das Wirken der Naturgesetze, die auch mit eiserner Notwendigkeit und Logik wirksam sind. Er blickt auf die Gesetze und erfährt, wie es alle Lebensverhältnisse zu regeln versucht. Er kennt das aus der Tradition stammende „Du musst“ und „Du sollst“. Alle diese Dinge hatten in der Vergangenheit eine menschen- und kulturgestaltende Bedeutung.

Ihre Aufgabe hat sich erschöpft und erfüllt. Seit dem Opfertod Christi ist ihre Aufgabe erfüllt, so wie in der Erziehung eines Kindes die Eltern irgendwann auch ihre Aufgabe erfüllt haben, weil die Heranwachsenden selbstständig geworden sind und nun ihren Lebensweg alleine gehen können.

Heute trägt der Mensch die Kräfte in sich, die ihm früher von außen helfen mussten. So war auch die Aufgabe der Sonne früher eine andere, als sie es heute ist. Die Dinge kehren sich um. Strahlte früher im Sonnenlicht von außen wirkende Geistesmacht an den Menschen heran. So wirkt diese Geistesmacht heute nicht mehr von außen, sie wirkt von innen. Eine Sonnenverehrung oder -anbetung, wie sie früher eine gewisse Berechtigung hatte, hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Nur noch physisch strahlt die Sonne heute in einem hellen äußeren Licht. Wenn man es mit geistigen Begriffen beschreiben wollte, dann müsste man die Sonne als „schwarz“ beschreiben, da von ihr seit Christi Zeiten nicht mehr der gütige Gottesgeist auf die Menschheit herabscheinen kann. Längst weilt er an einem anderen Ort. Die Sonne als Sinneseindruck ist – man möge die Schärfe der Formulierung verzeihen – eigentlich eine Unwahrheit, eine Vergangenheit, nur noch ein totes Bild. Sie ist wahr als vergangenes Fundament unseres Seins. Insofern ist sie eine Notwendigkeit. Aber in ihr liegt keine Zukunft.


Und den gleichen Charakter haben alles Physische, Materielle, Leibliche, eben alle Grundlagen unserer irdischen Existenz. Aber sie sind heute geist-fern und können dem Leben nicht mehr weiterhelfen.


Wo Menschen noch nach alten Kräften leben, geraten ihre Verhältnisse durcheinander. Ihre Lebenszusammenhänge verknoten sich, sie brechen ab, geraten in Sackgassen. Es weben sich die Menschenleben nicht mehr harmonisch an- und ineinander, da das verbindende Band des wahrhaft leuchtenden Geistes fehlt.

Diese Kräfte sitzen heute in einer Höhle, in die kein lebendiges Licht mehr hineinscheint. Dort arbeiten sie unermüdlich weiter.


Es sind drei Wesensformen, die des Denkens, Fühlens und Wollens. Aber es ist ein Denken, das sich nur an den Sinneseindruck anbindet – die moderne Wissenschaft, das Fühlen, das ..... und ein Wollen, das den Eigennutzen in den Vordergrund stellt. Das sind die schicksalwebenden Kräfte, die in Finsternis walten und ihren Ausgangspunkt heute in der Kopfhöhle haben. Dieses Fühlen erlebt seinen Reflex auch nicht mehr im Herzen, sondern nur noch im Haupte. Das Wollen verliert seine Schöpfer-Kraft.


Durch diese Vorgänge konnte der Mensch das Gedankenleben entwickeln, seinen Verstand ausbilden. Hat er die Verstandeskräfte ausgebildet, muss er weiter schreiten und nun in Freiheit sein Bewusstsein entwickeln. An diesem Punkt stehen wir heute. Die intellektuelle Verstandeskraft ist im modernen Menschen bereits entwickelt sie ist Grundlage für zukünftige Entwicklungen, aber nicht Mittelpunkt oder Ziel.

Die alten Seelen- und Lebenskräfte sind erstorben. So ist dem Verstand selbst das Leben entwichen und er kann auch nur das Tote in der Welt und in sich erfassen.

Im Märchen ist deshalb der Tod selbst der Bruder der alten Schicksalsspinnerinnen. Und Der Schreiber, der intellektuelle Verstand, sieht diesem Bruder sehr ähnlich:


„...dir fehlt nur noch das Stundenglas und die Hippe, so siehst du ganz wie der Bruder meiner schönen Basen aus.“, meint Fabel zum Schreiber.

Alles Gehirndenken entspricht dem Alten. Man stelle sich vor, wie die Nervenstränge sich durch den ganzen Organismus wie Fäden ziehen. Wie im Gehirn die Nervenzellen ihre Verbindungen spinnenartig nach allen Seiten hin ausbilden. Es führt in die tausendfältige Differenzierung, aber nicht in die Einheit. Während beim rhythmischen System des Menschen alles immer wieder in ein Zentrum zurückfließt, in das Herz , und so Leben stiftend wirkt.


Während im Gegensatz dazu heute der Mensch lebendiges Denken, Fühlen und Wollen entwickeln muss befruchtet durch ein neues Geistesleben, welches seinen Bezug zu den geistigen Wesen bewahrt hat.


Im Märchen kann Fabel die ganzen unvollendeten Fäden nur dadurch zusammenfügen, dass sie aus der dunklen Höhle der drei alten Schicksals-Schwestern in einen Vorraum geht, wo durch Felsenritzen „ein Strahl der Oberwelt“ hereinbricht. Dabei singt sie:


„Erwacht in euren Zellen,
Ihr Kinder alter Zeit;
Laßt eure Ruhestellen,
Der Morgen ist nicht weit.

Ich spinne eure Fäden
In einen Faden ein;
Aus ist die Zeit der Fehden.
Ein Leben sollt' ihr sein.

Ein jeder lebt in Allen,
Und All' in jedem auch.
Ein Herz wird in euch wallen,
Von einem Lebenshauch.

Noch seid ihr nichts als Seele,
Nur Traum und Zauberei.
Geht furchtbar in die Höhle
Und neckt die heil'ge Drei.“



Erkennt nun die erwachte, lebendige, schöpferische Seele das Wirken der alten Kräfte in der Welt und versucht heilend und korrigierend einzuwirken, so tun sich die Abgründe auf, die in Wahrheit hinter der Fassade des alltäglichen Lebens wirksam sind. Sie findet die Ursachen für die abgerissenen, unvollendeten Lebenswege, den Unfrieden in der Welt, das Ersterben aller Lebensprozesse. Es ist als würden sich aus allen Dingen plötzlich die furchtbarsten Gespenster herauslösen, die wohl nichts der reinen Menschenseele selbst antun können, die aber die größte Bedrohung für die unzeitgemäßen Kräfte selbst darstellen, die diese Gespenster ja auch hervorgebracht haben, die aber hinter der Fassade des bürgerlichen Lebens verborgen blieben.



Anthroposophie und Waldorfschulen stellen die eine Bedrohung für die herrschenden Systeme dar. Nicht weil sie selbst irgendeine Macht besitzen oder besitzen wollen. Aber an ihnen enthüllen sich erst die Hintergründe dieser Systeme und beginnen sie selbst zu bedrohen. Sie sind wie ein Licht, das hineinleuchtet in Räume, die ansonsten verborgen bleiben müssten. Das Licht will dabei nichts für sich, es will nur selbstlos scheinen dürfen.


Im Märchen drückt sich das nun so aus:

„Unter dem Liede (s.o.)wurden unzählige Lichterchen sichtbar, die aus der Türspalte schlüpften (sie verlassen den Raum in dem Fabel ist und streben gleich in die finstere Höhle) und durch die Höhle in scheußlichen Larven sich verbreiteten. Die Alten hatten während der Zeit immer mürrisch fortgesponnen, und auf das Jammergeschrei der kleinen Fabel gewartet, aber wie entsetzten sie sich, als auf einmal eine erschreckliche Nase über ihre Schultern guckte, und wie sie sich umsahen, die ganze Höhle voll der gräßlichsten Figuren war, die tausenderlei Unfug trieben. Sie fuhren ineinander, heulten mit fürchterlicher Stimme, und wären vor Schrecken zu Stein geworden, wenn nicht in diesem Augenblicke der Schreiber in die Höhle getreten wäre, und eine Alraunwurzel bei sich gehabt hätte. ...“


Sogleich tritt wieder der intellektuelle Verstand auf und verdrängt quasi durch die Zauberkraft seiner intellektuellen Argumente diese gefährlichen Gespenster. So wie es der heutigen Wissenschaft ein Leichtes ist, durch ihre Verstandesargumente die Geisteswissenschaft zu denunzieren.


„...Die Lichterchen verkrochen sich in die Felsklüfte und die Höhle wurde ganz hell, weil die schwarze Lampe in der Verwirrung umgefallen und ausgelöscht war. Die Alten waren froh, wie sie den Schreiber kommen hörten, aber voll Ingrimms gegen die kleine Fabel. Sie riefen sie heraus, schnarchten sie fürchterlich an und verboten ihr fortzuspinnen. Der Schreiber schmunzelte höhnisch, weil er die kleine Fabel nun in seiner Gewalt zu haben glaubte und sagte: ›Es ist gut, daß du hier bist und zur Arbeit angehalten werden kannst. Ich hoffe, daß es an Züchtigungen nicht fehlen soll.“



NOVALIS

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