Montag, 25. Mai 2009

Relief "Eros und Fabel" - 9.Bildtafel

Wirf das Schwert weg‹, rief Fabel (zu Eros, der vom alten Helden das Schwert erhalten hatte), ›und erwecke deine Geliebte.‹ Eros ließ das Schwert fallen, flog auf die Prinzessin zu, und küßte feurig ihre süßen Lippen. Sie schlug ihre großen dunkeln Augen auf, und erkannte den Geliebten. Ein langer Kuß versiegelte den ewigen Bund.

Von der Kuppel herunter kam der König mit Sophien (seiner Gemahlin) an der Hand. Die Gestirne und die Geister der Natur folgten in glänzenden Reihen.

....Perseus trat herein, und trug eine Spindel und ein Körbchen. Er brachte dem neuen Könige das Körbchen. ›Hier‹, sagte er, ›sind die Reste deiner Feinde.‹ Eine steinerne Platte mit schwarzen und weißen Feldern lag darin, und daneben eine Menge Figuren von Alabaster und schwarzem Marmor. ›Es ist ein Schachspiel‹, sagte Sophie; ›aller Krieg ist auf diese Platte und in diese Figuren gebannt. Es ist ein Denkmal der alten trüben Zeit.‹ Perseus wandte sich zu Fabel, und gab ihr die Spindel. ›In deinen Händen wird diese Spindel uns ewig erfreuen, und aus dir selbst wirst du uns einen goldnen unzerreißlichen Faden spinnen.‹ Der Phönix flog mit melodischem Geräusch zu ihren Füßen, spreizte seine Fittiche vor ihr aus, auf die sie sich setzte, und schwebte mit ihr über den Thron, ohne sich wieder niederzulassen. Sie sang ein himmlisches Lied, und fing zu spinnen an, indem der Faden aus ihrer Brust sich hervorzuwinden schien.


(Herein kamen) Ginnistan und ihr Bräutigam (der Vater- rechts im Bild, dabei Sophie), wie im Triumph.

...Die Hesperiden (links im Bild) ließen zur Thronbesteigung Glück wünschen, und um Schutz in ihren Gärten bitten. ... Unterdessen hatte sich unmerklich der Thron verwandelt, und war ein prächtiges Hochzeitbett geworden, über dessen Himmel der Phönix mit der kleinen Fabel schwebte. Drei Karyatiden aus dunkelm Porphyr trugen es hinten, und vorn ruhte dasselbe auf einer Sphinx aus Basalt. Der König umarmte seine errötende Geliebte, und das Volk folgte dem Beispiel des Königs, und liebkoste sich untereinander. Man hörte nichts, als zärtliche Namen und ein Kußgeflüster. Endlich sagte Sophie: ›Die Mutter ist unter uns, ihre Gegenwart wird uns ewig beglücken. Folgt uns in unsere Wohnung, in dem Tempel dort werden wir ewig wohnen, und das Geheimnis der Welt bewahren.‹ Die Fabel spann emsig und sang mit lauter Stimme:

Gegründet ist das Reich der Ewigkeit,
In Lieb' und Frieden endigt sich der Streit,
Vorüber ging der lange Traum der Schmerzen,
Sophie ist ewig Priesterin der Herzen.«


Relief "Eros und Fabel" - 8.Bildtafel



Fabel verließ nun das unterirdische Reich, und stieg fröhlich zu Arcturs Palaste.

Der Flachs ist versponnen. Das Leblose ist wieder entseelt. Das Lebendige wird regieren, und das Leblose bilden und gebrauchen. ... - ›Ich bin nichts als Sophiens Pate‹, sagte die Kleine. ›... Die Asche meiner Pflegemutter muß ich sammeln, und der alte Träger (Atlas) muß wieder aufstehn, daß die Erde wieder schwebe und nicht auf dem Chaos liege.‹

...

Bist du wieder da, liebliches Kind?‹ sagte der Alte; ›habe ich doch immer von dir geträumt. Ich dachte immer, du würdest erscheinen, ehe mir die Erde und die Augen zu schwer würden. Ich habe wohl lange geschlafen.‹ ›Die Erde ist wieder leicht, wie sie es immer den Guten war‹, sagte Fabel. ›Die alten Zeiten kehren zurück. I...Wo sind unsere alten Gastfreundinnen, die Hesperiden?‹ - ›An Sophiens Seite. Bald wird ihr Garten wieder blühen, und die goldne Frucht duften.

..

Fabel reichte die Urne, worin die Asche gesammelt war, der heiligen Sophie, die sie zärtlich umarmte.

Liebliches Kind‹, sagte sie, ›dein Eifer und deine Treue haben dir einen Platz unter den ewigen Sternen erworben. Du hast das Unsterbliche in dir gewählt. ... Du wirst die Seele unsers Lebens sein. Jetzt wecke den Bräutigam (Eros) auf. Der Herold ruft, und Eros soll Freya suchen und aufwecken.‹

...Sie ergriff nun die Urne und schüttete die Asche in die Schale auf dem Altar. Ein sanftes Brausen verkündigte die Auflösung, und ein leiser Wind wehte in den Gewändern und Locken der Umstehenden.

Sophie reichte die Schale dem Eros und dieser den andern. Alle kosteten den göttlichen Trank, und vernahmen die freundliche Begrüßung der Mutter in ihrem Innern, mit unsäglicher Freude. Sie war jedem gegenwärtig, und ihre geheimnisvolle Anwesenheit schien alle zu verklären.

Die Erwartung war erfüllt und übertroffen. Alle merkten, was ihnen gefehlt habe, und das Zimmer war ein Aufenthalt der Seligen geworden. Sophie sagte: ... Aus Schmerzen wird die neue Welt geboren, und in Tränen wird die Asche zum Trank des ewigen Lebens aufgelöst. In jedem wohnt die himmlische Mutter, um jedes Kind ewig zu gebären. ...‹

Sie goß in den Altar den Rest aus der Schale hinunter. Die Erde bebte in ihren Tiefen. Sophie sagte: ›Eros, eile mit deiner Schwester zu deiner Geliebten. Bald seht ihr mich wieder.‹


Fabel und Eros gingen mit ihrer Begleitung schnell hinweg. Es war ein mächtiger Frühling über die Erde verbreitet. Alles hob und regte sich. ... Die Königsburg strahlte mit herrlichem Glanze über das Meer, und auf ihren Zinnen stand der König in voller Pracht mit seinem Gefolge. ...

Die Blumen und Bäume wuchsen und grünten mit Macht. Alles schien beseelt. ... Die Tiere nahten sich mit freundlichen Grüßen den erwachten Menschen. Kein Stein lag mehr auf einer Menschenbrust, und alle Lasten waren in sich selbst zu einem festen Fußboden zusammengesunken. Sie kamen an das Meer. Ein Fahrzeug von geschliffenem Stahl lag am Ufer festgebunden. Sie traten hinein und lösten das Tau. Die Spitze richtete sich nach Norden, und das Fahrzeug durchschnitt, wie im Fluge, die buhlenden Wellen.


Relief "Eros und Fabel" - 7.Bildtafel


"Hier bringe ich euch Taranteln", sagte Fabel zu den Alten. Sie erschraken, da sie nicht damit gerechnet hatten, sie lebend hier wieder zu sehen. Eine lief mit der Schere auf sie zu, um sie zu erstechen. Da stachen die Taranteln die drei alten Schwestern und sie sprangen wild umher.
Fabel schlich sich zur Leiter und begab sich zu Arctur. „Monarch!, sagte sie, „die Bösen tanzen, die Guten ruhn. Ist die Flamme vom Scheiterhaufen der Mutter angekommen?“ „Sie ist angekommen“, sagte der König. „Die Nacht ist vorbei und das Eis schmilzt. Meine Gattin, Sophie, die Weisheit, zeigt sich von weitem. Meine Feindin ist versenkt. Alles fängt zu leben an.“

Die Tänzerinnen waren inzwischen ermüdet. Die Spinnen fielen über sie her; diese wollten sich mit der Schere verteidigen, aber Fabel hatte sie in aller Stille mitgenommen. Die Taranteln saugten sie bis aufs Mark aus.

Fabel sah hinaus und erblickte Perseus mit dem großen, eisernen Schilde. Die Schere flog von selbst dem magnetischen Schilde zu. Fabel bat ihn, dem wild herumfliegenden und Schaden anrichtenden Eros die Flügel damit zu beschneiden, und dann mit seinem Schilde die Schwestern zu verewigen, und das große Werk zu vollenden.

Sie verließ nun das unterirdische Reich und stieg fröhlich zu Arcturs Palaste. „Das Flachs ist versponnen. Das Leblose ist wieder entseelt. Das Lebendige wird regieren, und das Leblose bilden und gebrauchen.“ „Glückliches Kind“, sagte der gerührte Monarch, „du bist unsre Befreierin.“ „Die Asche der Mutter muss ich nun sammeln.“

Relief "Eros und Fabel" - 6.Bildtafel

Die drei Alten waren voll Ingrimms gegen die kleine Fabel. Der Schreiber trat herein und schmunzelte höhnisch, weil er die kleine Fabel nun in seiner Gewalt zu haben glaubte. Da fiel aus Versehen die schwarze Lampe um und war ausgelöscht. Die Alten sahen nichts mehr. Der Schreiber sprach tückisch, da er hoffte, dass Fabel dabei umkäme: „Lasst Fabel doch gehen, dass sie euch Taranteln fange, zur Bereitung eures Lampenöls. - Ich wollte zu eurem Troste sagen, dass Eros ohne Rast umherfliegt, und eure Schere, die die Lebensfäden der Menschen abschneidet. fleißig beschäftigen wird, da er Tod und Verderben mit seinem Pfeil und Bogen in der Menschenwelt bewirkt(Bildmitte). Seine Mutter, die euch so oft zwang, die Lebensfäden länger zu spinnen, wird morgen ein Raub der Flammen.“ Er kitzelte sich, um zu lachen.


Fabel ging nach dem Hintergrund der Höhle, wo eine Leiter herunterhing. Sie kletterte schnell hinauf und kam bald vor eine Falltür, die sich in Arcturs Gemach öffnete.

Der König saß umringt von seinen Räten. Die Lilie hielt er in der Linken, die Waage in der Rechten. Adler und Löwe saßen zu seinen Füßen. Fabel neigte sich ehrfurchtsvoll vor ihm: "Heil deinem festgegründeten Throne! Frohe Botschaft deinem verwundeten Herzen. Baldige Rückkehr der Weisheit! Ewiges Erwachen dem Frieden! Ruhe der rastlosen Liebe!“ Der König berührte ihre offene Stirn mit der Lilie: „Was du bittest, sei dir gewährt.“ Bitte gib mir die Leier!" (oben rechts)
Sie lockte fröhliche Musik aus den Saiten, indem sie umherwanderte.

Eros kam herbeigeflogen. Er flog umher mit silberweißen Flügeln in der Hand den Bogen. 'Sein Bogen richtete überall Verwüstungen an. Er zog weiter, ohne Ginnistan (unten, Mitte) einen zärtlichen Blick zu gönnen.

Während ihres Gesanges waren von allen Seiten Taranteln zum Vorschein gekommen, die über die Grashalme ein glänzendes Netz zogen, und lebhaft nach dem Takt der Musik sich an ihren Fäden bewegten.


Sie sah bald von weitem die hohe Flamme des Scheiterhaufens. Traurig sah sie gen Himmel.

Relief "Eros und Fabel" - 5.Bildtafel




Unterdessen war zu Hause eine traurige Veränderung vorgegangen. Der Schreiber hatte das Gesinde in eine gefährliche Verschwörung verwickelt. Zuerst bemächtigte sich sein Anhang der Mutter, die in eiserne Bande gelegt wurde. Der Vater ward bei Wasser und Brot ebenfalls hingesetzt. Die kleine Fabel hörte den Lärm im Zimmer. Sie verkroch sich hinter dem Altare, und wie sie bemerkte, dass eine Tür an seiner Rückseite verborgen war, so öffnete sie dieselbe mit vieler Behändigkeit, und fand, dass eine Treppe in ihm hinunterging. Der Schreiber stürzte mit Ungestüm herein, um sich an der kleinen Fabel zu rächen, und Sophie gefangenzunehmen. Beide waren nicht zu finden. In seinem Grimme zerschlug er den Altar in tausend Stücke, ohne jedoch die heimliche Treppe zu entdecken.

Fabel steigt in die Tiefe hinab. Die Luft war wie ein ungeheurer Schatten; am Himmel stand ein schwarzer strahlender Körper. Licht und Schatten schienen hier ihre Rollen vertauscht zu haben.
Endlich kam sie vor das Tor, vor welchem auf einem massiven Postament eine schöne Sphinx lag.

„Was suchst du?“sagte die Sphinx. - „Mein Eigentum“, erwiderte Fabel. - „Wo kommst du her?“- „Aus alten Zeiten“; - „Du bist noch ein Kind?“ - „Und werde ewig ein Kind sein.“

Fabel wurde durchgelassen und trat in eine ungeheure Höhle, und ging fröhlich auf die alten Schwestern zu, die bei der kärglichen Nacht einer schwarzbrennenden Lampe ihr wunderliches Geschäft trieben.

NOVALIS

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