Das Größte spiegelt sich im Kleinsten, das Kleinste im größten, Mikrokosmos und Makrokosmos bedingen einander. Diese Vorstellung tauchte in den Lehren der Weisen auf.
Auch das traditionelle Atombild und die Vorstellung von den Bahnen der Planeten bilden einen Zusammenklang: Es schwingen die Elektronen um den Atomkern ähnlich wie die Planeten um ihren Sonnenmittelpunkt.
Die alten Vorstellungen der Weisen gingen aber noch weiter. Man sah immer einen unsichtbaren Zusammenhang zwischen den im Umkreis und den in den kleinsten irdischen Verhältnissen wirkenden Kräften. Das höchste Geistige, das im Kosmos Wirkende findet seine Wiederspiegelung im Irdischsten, in der Materie, in Stoff und Substanz, in Stein und Metall. Das Wissen darum ermöglichte es den Alchemisten durch ihre Verbindung zum Geist auch in die Kräfte der irdischen Substanzen einzugreifen.
So gesehen sind mit den einzelnen Erdenstoffen bestimmte wesenhafte Kräfte verbunden. Und begegnen verschiedene Substanzen einander, so spielen sich lebendige Wirkungen ab, wie wenn zwei unterschiedliche Lebewesen einander begegnen und miteinander in Verbindung treten. Am gewaltigsten können diese Wirkungen sein, wenn ein weibliches und ein männliches Wesen einander begegnen.
Der Mensch kann zunächst das geistige Wirken nicht erfahren. Die Wirksamkeiten aber, die sich auf Stoffesebene abspielen, erfährt er über seine Sinne, doch diese kann er zunächst nicht verstehen. Sie zeigen sich ihm in einer Äußerlichkeit, die wohl das Innere offenbart, aber seine Wirklichkeit zugleich auch verbirgt. Der Vermittler zwischen beidem, zwischen unsichtbarer Geistigkeit und unverständlichem Irdischen ist das Seelische. In dem jedem Menschen zugänglichen, eigenen seelischen Empfindungsleben entzündet der Sinneseindruck ein Erleben. Auf dieses Erleben kann dann der menschliche Geist zugreifen, es im Bilde betrachten, und mit Worten und Begriffen kann er es ins denkende Bewusstsein erheben.
Alle materiellen Vorgänge sind Bilder seelischer Ereignisse. Und diese wiederum haben ihren Ursprung in geistigem Wesen.
So finden wir bei Novalis gleichzeitig Kosmisches und irdische Stofflichkeit auftreten. Gleich im ersten Bild sitzt im himmlischen Reich Arcturs Freya auf einem Thron aus Schwefelkristall. Diese Schwefelkraft geht dann in sie über und man kann in ihr den Schwefel zum Leuchten bringen:
„Sie lag an seidnen Polstern auf einem Throne, der von einem großen Schwefelkristall künstlich erbaut war, und einige Mädchen rieben emsig ihre zarten Glieder, die wie aus Milch und Purpur zusammengeflossen schienen. Nach
allen Seiten strömte unter den Händen der Mädchen das reizende Licht von ihr aus, was den Palast so wundersam erleuchtete. ...“
Nun finden wir bei Rudolf Steiner im „Miterleben des Jahreslaufes...“ im ersten Vortrag eine passende Stelle zur Wirksamkeit des Schwefels im Menschen:
„Und so ist es tatsächlich, dass, wenn der Mensch das Jahr durchläuft, immer andere Vorgänge in seinem Organismus spielen. Dasjenige, was da spielt beim Verlauf der Hochsommerzeit, das ist ein inneres Durchwobenwerden mit dem, was, ich möchte sagen äußerlich, grobmateriell, angedeutet ist in dem Schwefel. Dies ist ein inneres Sulfurisiertwerden, das der Mensch in seinem physisch ätherischen Wesen erlebt, wenn er die Sommersonne und ihre Wirkungen miterlebt. Dasjenige, was der Mensch an für ihn brauchbarem materiellem Sulfur, Schwefel, in sich trägt, das hat für ihn während der Hochsommerzeit eine ganz andere Bedeutung als während der kalten Winterzeit oder während der aufkeimenden Frühlingszeit. Das Schwefelhafte in dem Menschen ist wie in einem Feuerungsprozesse während des Hochsommers. Und das gehört zu der Entwickelung der menschlichen Natur im Jahreslaufe, dass gewissermaßen dieser Sulfurprozess im Inneren des Menschen während des Hochsommers in eine Art besonders gesteigerten Zustandes kommt. Die Materie in den verschiedenen Wesen hat wahrlich noch andere Geheimnisse, als sich gerade die materialistische Wissenschaft träumen lässt.
So ist im Menschen alles Physisch Ätherische von innerem Schwefelfeuer, um diesen Jakob Böhmeschen Ausdruck zu gebrauchen, durchglüht während der Hochsommerzeit. Das kann auch im Unterbewussten bleiben, weil es ein sanfter, intimer Prozess ist. Aber ist dieser Prozess auch sanft und intim und daher für das gewöhnliche Bewusstsein unwahrnehmbar, so ist dieser Vorgang, wie das bei solchen Vorgängen überall der Fall ist, gerade von einer ungeheuren einschneidenden Bedeutung für das Geschehen im Kosmos.“ (GA 229, S.16)
Nun wieder zurück zum Geschehen in Arcturs Reich wie Novalis es beschreibt. Neben dem Schwefelcharakter tritt der Eisencharakter auf. Zu Freya tritt der bewaffnete „Alte Held“ herein, er verkörpert das „Eisen“:
„Der alte Held hatte bisher auch sein unsichtbares Geschäft emsig betrieben, als auf einmal der König voll Freuden ausrief: ›Es wird alles gut. Eisen, wirf du dein Schwert in die Welt, ...‹ Der Held riss das Schwert von der Hüfte, stellte es mit der Spitze gen Himmel, dann ergriff er es und
warf es aus dem geöffneten Fenster über die Stadt und das Eismeer. Wie ein Komet flog es durch die Luft, und schien an dem Berggürtel mit hellem Klange zu zersplittern, denn es fiel in lauter Funken herunter.
Rudolf Steiner schildert im selben Vortrag, wie nun nach dem Schwefelgeschehen vom Sommer gegen den Herbst hin das Eisengeschehen hinzutritt. Wie dieses vom Kosmos auf die Erde hereinwirkt, zugleich auch sein Spiegelbild im Blut des Menschen hat und auch seelisch dem Menschen hilft, soviel Kraft zu entwickeln, dass er Angst und Furcht besiegen kann:
„Und wenn gerade in der Hochsommerzeit aus einem gewissen Sternbilde die Meteorsteine herabfallen in den mächtigen Meteorschwärmen, wenn das kosmische Eisen auf die Erde herabfällt dann ist in diesem kosmischen Meteoreisen, in dem eine so ungeheuer starke heilende Kraft liegt, die Waffe der Götter enthalten .... . Und dasjenige, was sich da räumlich in majestätischer Größe abspielt draußen im Weltenall, wenn die Augustschwärme der Meteoriten hineinstrahlen in die Menschenstrahlungen im Astrallichte, dasjenige, was sich da grandios draußen abspielt, das hat sein sanftes, scheinbar kleines, eben nur räumlich kleines Gegenbild in demjenigen, was im menschlichen Blute vor sich geht. Dieses menschliche Blut, das wird wahrhaftig nicht auf so materielle Weise, wie es sich die heutige Wissenschaft vorstellt, sondern überall auf Anregungen des Geistig Seelischen hin durchschossen, durchstrahlt von demjenigen, was als Eisen in das Blut hineinstrahlt, was Angst, Furcht, Hass bekämpfend sich als Eisen in das Blut eingliedert. Die Vorgänge, die sich in jedem Blutkörperchen abspielen, wenn die Eisenverbindung hineinschießt, die ist menschlich, im ganz Kleinen, minuziös dasselbe, was sich abspielt, wenn der Meteorstein leuchtend, strahlend durch die Luft heruntersaust. Meteorwirkungen im Inneren des Menschen sind die Durchstrahlungen mit dem Eisen, die für das Blut und seine Entängstigung geschehen. Denn eine Entängstigung, eine Entfürchtung ist es, was da mit dem Eisen hineinstrahlt.“
Im Menschen führt das bewusstseinsmäßig zu einem Erwachen. Während er durch die Wirkung der Sommerkräfte eher zu einem träumenden, schlafenden Bewusstsein neigte, so führen nun diese neuen Herbst-Eisen-Blut-Kräfte zu einem Wachwerden und einem starken Wachsen menschlicher Kräfte. Diese Kräfte helfen dem Menschen in besonderer Weise zum Geiste zurückzufinden. Sie bedeuten das eigentliche Wesen der „Re-ligion“. So wie eine eiserne Kompassnadel in der Welt in immer gleicher Weise in der Lage ist, dem Menschen den Weg zu weisen, so können die Eisen-Mutkräfte dem Menschen in jeder Lage den richtigen Weg zu ihrem geistigen Ursprung weisen.
Bei Novalis entfaltet sich sinngemäß nun im Irdischen eine gewaltige menschliche Wirksamkeit, die ihren Repräsentanten besonders in „Eros“ hat. Das zunächst wie
eine Kompassnadel wirkende Eisen verwandelt sich in der Hand des Menschen sofort in etwas Lebendiges, Bewegtes, was Novalis mit dem Bilde einer Schlange ausdrückt. Darin können wir die lebendige Bewegung und Strömung in unseren Blutadern abgebildet empfinden. Und sogleich ist es im Märchen vorbei mit der untätigen Ruhe. Das erwachte Bewusstsein bricht auf zu neuen Erfahrungen: Es macht sich auf die „Reise“:
„Auf einmal brachte der Vater ein zartes eisernes Stäbchen herein, das er im Hofe gefunden hatte (Es handelt sich um die Wirkung des oben vom Helden in die Welt geschleuderten Eisenschwertes). Der Schreiber besah es und drehte es mit vieler Lebhaftigkeit herum, und brachte bald heraus, dass es sich von selbst, in der Mitte an einem Faden aufgehängt, nach Norden drehe. Ginnistan nahm es auch in die Hand, bog es, drückte es, hauchte es an, und hatte ihm bald die Gestalt einer Schlange gegeben, ... Zuweilen berührte sie die Wiege damit, da fing der Knabe an, wach zu werden, schlug die Decke zurück, hielt die eine Hand gegen das Licht, und langte mit der andern nach der Schlange. Wie er sie erhielt sprang er rüstig, dass Ginnistan erschrak, und der Schreiber beinah vor Entsetzen vom Stuhle fiel, aus der Wiege, stand, nur von seinen langen goldnen Haaren bedeckt, im Zimmer, und betrachtete mit unaussprechlicher Freude das Kleinod, das sich in seinen Händen nach Norden ausstreckte, und ihn heftig im Innern zu bewegen schien. Zusehends wuchs er.
... Eros kam bald in schöner Rüstung, um die das bunte Tuch wie eine Schärpe gebunden war, zurück, und bat Sophie um Rat, wann und wie er seine Reise antreten solle.“
So erleben wir die neu erwachte und nun stetig wachsende, frische Bewusstseinskraft des Menschen, wie sie sich vorbereitet, auf ihre Lebens- Erfahrungsreise zu gehen.